Insgeheim wussten sicher viele, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) nach dem unsteten Handeln des Internationalen Gewichtheberverbandes (IWF) Konsequenzen ziehen würde. Dennoch treffen diese vor allem die Athleten und Athletinnen hart. Nachdem in Rio 2016 noch 260 Sportler und Sportlerinnen in 15 Gewichtsklassen und in Tokyo vergangenen Jahres noch 196 Heber und Heberinnen in 14 Kategorien antreten durften, hat das IOC nun die Quote für die Spiele in Paris 2024 nochmals deutlich auf 120 Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie zehn Gewichtsklassen gesenkt. Damit hat Gewichtheben in acht Jahren mehr als die Hälfte seiner Plätze und ein Drittel der Medaillenveranstaltungen verloren.
Auf die zehn neuen Kategorien hatte sich die IWF in Absprache mit der Athletenkommission, die ihre schriftliche Zustimmung hatte geben müssen, im Dezember 2021 geeinigt. So wurden jedoch nur vier dieser Gewichtsklassen von Paris 2024 zuletzt bei den Spielen in Tokyo verwendet, was für die Athleten und Athletinnen nun eine Umstellung bedeuten dürfte. Die anderen sechs Kategorien wurden den IWF-Gewichtsklassen für die Weltmeisterschaften entnommen. Eine einzige Änderung betreffen hier lediglich die beiden Superschwergewichtsklassen – von +109 kg zu +102 kg bei den Männern und von +87 kg zu +81 kg bei den Frauen.
Damit werden in zweieinhalb Jahren in Paris die 120 Athleten und Athletinnen in den Männer-Gewichtsklassen bis 61 kg, 73 kg, 89 kg, 102 kg sowie über 102 kg und in den Frauen-Kategorien bis 49 kg, 59 kg, 71 kg, 81 kg und über 81 kg antreten.
Lang: „Athleten könnten Lust verlieren”
Die Änderung der Gewichtklassen für Paris 2024 betrifft auch einige deutsche Gewichtheber und Gewichtheberinnen, so unter anderem Weightlifting Shop-Athlet Max Lang.
„Die neuen Gewichtsklassen spielen mir nicht unbedingt in die Karten. Eigentlich hatte ich jedem erzählt, dass ich nicht nochmal in der Gewichtsklasse bis 73 kg an den Start gehen werde. Ich hatte auf neue und gute Kategorien spekuliert und wäre, falls sich die Klassen nicht geändert hätten, in der bis 81 kg gestartet.“
So bedeutet dies nun für den amtierenden Europameister, dass er mit Hilfe seiner Ernährungsberaterin die Gewichtsklasse bis 73 kg noch einmal angeht. Und doch spricht Lang letztendendes sogar von Glück, denn die Pläne der IWF gingen zunächst bis 72 kg und 91 kg.
„Wäre das so gekommen, hätte ich mich definitiv aus dem internationalen Gewichtheben verabschiedet.“
Weightlifting Shop-Athlet Max Lang
Für andere Athleten und Athletinnen könnten die neuen Gewichtsklassen genau dazu geführt haben. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen gibt es Sprünge von bis zu 16 kg zwischen den Gewichtsklassen. Heber und Heberinnen die dazwischen liegen, müssten sich nun dazu entscheiden, Gewicht zu machen oder zu verlieren. „16 kg Differenz sind brutal. Für viele wird die Wahl der Gewichtsklasse nicht leicht fallen. Ich kann mir vorstellen, dass durch diese Entscheidung einige die Lust verlieren könnten. Ich habe das ganze schon einmal gemacht und das geht an die Substanz – körperlich und geistig.“
Wenig Weltrekorde in vier neuen Gewichtsklassen
In vier der zehn neuen Gewichtsklassen für Paris könnte es aber besonders spannend werden. Denn in den Frauen-Kategorien bis 71 kg sowie 81 kg und den Klassen bis 89 kg sowie 102 kg bei den Männern sind Weltrekorde rar gesät. Diese waren seit ihrer Einführung im Jahr 2018 nicht Teil des Olympischen Programms und die von der IWF festgelegten Normen für Reißen, Stoßen und im Zweikampf wurden in drei dieser vier Gewichtsklassen zuvor noch nie erreicht. Diesen Punkt hebt auch Weightlifting Shop-Athletin Nancy Ludwig noch einmal hervor. „Ich finde es cool, dass bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris Gewichtsklassen an den Start gehen, die bei den Spielen in Tokyo vergangenen Jahres nicht mit dabei waren. So hat theoretisch jeder die Chance, zu Olympia fahren zu können.”
Damit die Athleten und die Athletinnen aber überhaupt die Chance haben in diesen Gewichtsklassen zu starten und neue Rekorde aufzustellen, muss die Sportart erst einmal im Olympischen Programm bleiben. IOC-Präsident Thomas Bach machte Ende November vergangenen Jahres deutlich, dass Gewichtheben zwar im Programm für Paris stehe, aber man nie wisse, was noch geschehen könnte. Aus dem Programm für die Spiele in Los Angeles 2028 wurde Gewichtheben bereits vorläufig gestrichen und wird nur wieder aufgenommen, wenn das IWF einen wirksamen Kulturwandel vornimmt.